Oytener Neuntklässler spielen das Stück „Ab heute heißt du Sara“

Oyten – Der gelbe Stern am dunkelblauen Mantel der jungen Inge ist nicht zu übersehen. Die Nazis haben ihr nicht nur den Stern aufgezwungen, zusammen mit dem „J“ für Jüdin haben sie ihr einen neuen Namen in den Pass geschrieben: Sara. Es sind Szenen aus dem Leben der Berliner Jüdin Inge Deutschkron, die die Neuntklässler der Integrierten Gesamtschule (IGS) Oyten derzeit auf der Bühne in der Aula proben. Alle rund 90 Schüler und Schülerinnen des Jahrgangs 9 sind in den Bereichen Darstellendes Spiel, Musik und Kunst in die Theateraufführung eingebunden.

„Ab heute heißt du Sara“, so lautet der Titel des Stücks nach der Vorlage des Grips-Theaters Berlin. Es beruht auf der Autobiografie der deutsch-israelischen Journalistin und Autorin Inge Deutschkron, die im vergangenen Jahr im Alter von 99 Jahren gestorben ist.

„Ich habe dieses Stück ausgewählt, weil es ganz fein ganz viele Nuancen klarmacht und viele erschreckende Verbindungen zu heute hat“, erklärt Kitti Müller, die an der IGS unter anderem Darstellendes Spiel unterrichtet und bei dem Theaterprojekt der Neuntklässler zusammen mit dem pädagogischen Mitarbeiter Gabor Fabian die Regie führt.

„Alle Personen, die in dem Stück auftauchen, haben unter diesen Namen gelebt“, betont Müller. Otto Weidt beispielsweise, der in seiner Bürstenmanufaktur blinde Menschen arbeiten ließ und vor der Deportation gerettet hat. „Die Rolle ist ziemlich anspruchsvoll zu spielen, aber schön“, sagt der 16-jährige Benedikt, der wie seine Mitspielenden erst durch das Stück von der Geschichte Weidts erfahren hat. Von ihm handelt der Film „Ein blinder Held – Die Liebe des Otto Weidt“, den Müller mit ihren Schülern gesehen hat und der Szenen enthält, wie sie im Stück vorkommen.

Zwei Jahre lang arbeitete Inge bei Otto Weidt in der Fabrik, bis sie sich 1941 mit ihrer Mutter vor dem Nazi-Regime verstecken musste. Die 14-jährige Charlotte spielt die jüngere Inge. „Allein die Gefühle nachzuspielen, ist anders als nur davon zu lesen“, sagt Charlotte. Ihre Rolle im Stück hat ihr die damalige Zeit näher gebracht, die zuvor intensiv im Unterricht behandelt wurde: „Man kann es besser nachvollziehen.“

Einen zwielichtigen Prüfer verkörpert auf der Bühne der 15-jährige Luuk, der sagt: „Es ist Theater, aber es bringt einem die Zeit auch näher.“ Eine Zeit, in der jüdische Kinder gnadenlos schikaniert wurden, wie Vanessa und Leonie als Mitglieder der Hitlerjugend auf der Bühne zeigen müssen. Sie zwingen ein jüdisches Mädchen, ihre Stiefel zu lecken. „Das war schon schrecklich früher, unbegreiflich“, sagt Leonie. „Es ist zuerst total ungewohnt, denn normalerweise behandelt man andere respektvoll“, erzählt Charlotte, die zuvor schon einmal Theater gespielt hat. „Wir hatten am Anfang Probleme, einander anzugreifen, so in die Privatsphäre des anderen einzudringen.“

Kitti Müller hat Inge Deutschkron selbst einige Male persönlich erlebt. Mit dem Stück kommen die Erinnerungen an diese Begegnungen zurück. „Was gespielt wird, war die Realität“, weiß die Lehrerin.

Aufgeführt werden 24 Szenen aus dem Leben Deutschkrons, die die Jahre 1933 bis 1945 umfassen. Charlotte spielt die jüngere Inge, die erst nicht versteht, was es bedeutet, Jüdin zu sein. Erst mit dem Alter wird der Heranwachsenden das Ausmaß bewusst – und in dieser Phase von Lina gespielt. „Wir haben die Hauptrolle geteilt, weil sie so differenziert gespielt werden muss“, erklärt Müller.

Das Stück zeigt den Alltag dieser Zeit und gibt Einblicke in das damalige Gesellschaftsbild, wobei Bereiche thematisiert werden, die sonst verborgen bleiben, etwa dass Verfolgte sehr viel Unterstützung von Prostituierten erfahren haben. „Das Stück thematisiert die Feinheiten und Ansichten, auch der Parteien, die nicht im Unterricht vorkommen“, sagt Müller. Das Theaterstück, das die Neuntklässler seit Ende der Winterferien proben, dient auch dazu, sie an das Thema Erinnerung und Erinnerungskultur heranzuführen. „Man denkt weiter über die Rolle nach, es ist auch sehr wichtig, die Rolle zu fühlen“, sagt Charlotte.

Die Neuntklässler werden sich noch weiter mit der Thematik des Nationalsozialismus auseinandersetzen, etwa mit Besuchen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und des Bunkers Valentin in Bremen-Farge. Zunächst aber konzentrieren sie sich auf die Aufführung des Stücks, das am Mittwoch, 1. März, ab 18.30 Uhr in der Aula der IGS Oyten gezeigt wird. Interessierte Zuschauerinnen und Zuschauer sind zu der öffentlichen Vorstellung willkommen.

Von Anne Leipold

Quelle: kreiszeitung.de

Text & Foto: Anne Leipold

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